Das Psychokind

Wenn er Angst hat, schlägt er um sich. Und Angst hat er oft.
Es ist nicht immer einfach in dieser Welt groß zu werden. Viele Normen und Werte, viele Regeln, Aufgaben, Prinzipien und das Bild in den Köpfen, wie alles zu laufen hat und wie die Menschen zu funktionieren haben. Anton kann dem allem nicht gerecht werden, was nicht heißt, dass er nicht will. Mit sieben hat er angefangen damit klar zu kommen, anders zu sein, als alle anderen. Jetzt ist er elf und hat keine Freunde. Seine Eltern, sein großer Bruder und die vielen Ärzte und Psychologen sind seine einzigen Bezugspersonen. Und selbst die hasst er manchmal. Zumindest vermittelt er ihnen dieses Gefühl.

Er hört häufig Dinge wie Aggressivität, schwieriges Sozialverhalten, Isolation, Fortschritte, Unruhe, Affekthandlungen, Hyperaktivität, Zwangsstörungen, Depressionen und andere fremdartige Wörter aus dem Mund der Erwachsenen. Er selbst kann damit nicht viel anfangen, obwohl er es immer wieder von allen erklärt bekommt. Auch, warum er täglich mehrmals Tabletten schlucken muss. Seine Mutter nimmt ebenfalls Tabletten, da sie ihn nicht anders ertragen kann, glaubt er zu wissen. Sein Vater arbeitet und bekommt das alles gar nicht so richtig mit. Sein Bruder ist gesund und verachtet ihn für die Massen an Aufmerksamkeit, die er von allen bekommt. Anton wäre selbst auch lieber gesund, aber schafft es einfach nicht. Das ist auch das einzige, was er an anderen beneidet, denn ansonsten glaubt er, intelligenter und besser als alle anderen zu sein.

Die Schule langweilt ihn, er fühlt sich unterfordert, obwohl er sehr schlechte Noten bekommt. Anton glaubt, dass es nur an seinem Verhalten liegt, welches nicht gerne gesehen wird. Die Lehrer mögen es nicht, beschimpft zu werden, genauso wenig auch seine Mitschüler. Zudem kann er nicht lange ruhig sitzen und stört damit auch oft den Unterricht. Wenn er wieder einmal andere Medikamente ausprobieren muss, wird er oft müde und schläft dann auf der Schulbank ein. Auch das wird nicht gerne gesehen, aber die Mitschüler mögen ihn lieber schlafend als wach. Anton träumt sich deswegen oft in seine eigene Welt. Dort gibt es viele Tiere und technische Neuheiten, an denen er sich ausprobieren kann. Haustiere darf er in der realen Welt nicht haben, weil er sie quälen würde und die technischen Geräte werden von seinem Vater weggeschlossen, da sie zu teuer sind und er sie nicht kaputt machen darf. Anton glaubt auch, dass die Eltern nicht wollen, dass er wieder auf die Idee kommt, sich selbst mit Strom weh zu tun. Warum er das schon zwei Mal tat, weiß er selbst nicht. Er kann gegen diesen Drang nichts machen.

Er hat gelernt, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Mit anderen Menschen kommt er eh nicht so gut zurecht, sie machen ihm Angst. Und seine Angst macht anderen Menschen Angst, da er sie nicht kontrollieren kann und dann um sich schlägt. Aber es wurde laut seiner Psychotherapeutin schon viel besser. Nun wirft er nur noch mit Gegenständen, statt andere Personen zu hauen. Dass das Unrecht ist, weiß er theoretisch schon. Er schreibt ein Tagebuch in dem er alle unartigen Gedanken und Tätigkeiten nieder schreibt und sanktioniert sich manchmal sogar selbst, indem er sich selbst dazu zwingt, auf manche Dinge zu verzichten. Wenn er sich den Fernseher verbietet, sitzt er oft stundenlange vor dem Fenster und klebt dieses mit schwarzem Tonpapier ab, damit seine Krankheit nicht nach außen dringt und andere Menschen infiziert. Dabei macht er sich viele Gedanken über seine Zukunft. Er möchte nicht für immer „schlecht“ sein. Ob die Ausartungen nun an der Krankheit oder an seinem bösen Wesen mit schwierigem Charakter liegen, weiß er nicht und bekommt es auch nicht eindeutig von den Erwachsenen gesagt.
Sein Ziel ist es, irgendwann ohne Medikamente ein normales Leben zu führen, ohne von allen verachtet und gehasst zu werden. Er könnte aber auch alle Tabletten auf einmal nehmen, die ihm täglich portioniert werden. Vielleicht ist das die Lösung!?!

Verbreiten, teilen, infizieren!