Ata

Und dann steh’ ich da, mit Tränen in den Augen und muss mir ansehen, was ich angerichtet hab.


Frühmorgens grinst mir mein Freund mit verklebten Augen und dem typischen Mundmülleimer in mein zerknautschtes Gesicht und bedeckt es mit hundert Küssen, bevor er sich aus dem Bettdeckenchaos befreit, um im Badezimmer zu verschwinden. Auf dem Weg dorthin gewähre ich ihm noch einen flüchtigen Blick auf meinen nackten Körper, um ihn vielleicht doch noch zu überreden, sich noch ein paar Minuten zu mir unter die Bettdecke zu gesellen. Schmunzelnd und kopfschüttelnd wirft er mir ein ‚Ich liebe dich so sehr!’ zu, bevor er die Schlafzimmertür hinter sich schließt und wenige Augenblicke später das Wasserprasseln der Dusche zu hören ist.

Kurz darauf muss auch ich mich aufrappeln, um pünktlich auf der Arbeit zu sein und wundere mich noch darüber, die Haustür gar nicht gehört zu haben. ‚Vermutlich war ich noch ein paar Minuten eingenickt’, hänge ich meinen Gedanken nach und schlüpfe aus dem warmen Bett, um mir die Kleidung überzustreifen, die ich mir schon abends zurecht gelegt hatte. Müde tapse ich in Richtung Küche, um die Kaffeemaschine anzuschalten, die er mir jeden Morgen zurecht macht, damit ich mir im Bad länger Zeit lassen kann. Ich brauche lange, bis ich morgens richtig wach werde.

Auf dem Weg über die kalten Fliesen im Flur, sehe ich seine Arbeitstasche stehen und grinse über seine schusselige Vergesslichkeit. Im Bad überprüfe ich nach dem morgendlichen Toilettengang meine Augenringe im Spiegel, während ich mir automatisch die Zahnpasta auftrage. Mit der Zahnbürste im Mund schlappe ich zurück in die Küche um mir den Kaffee einzugießen, damit dieser noch abkühlen kann, bevor ich ihn eilig runterkippen muss. Statt dem gewohnt duftenden Schwarz erblicke ich nur eine Pfütze trüben Wassers. Er hatte es wohl auch eilig. Also beginnt mein Tag wohl ohne mein geliebtes Wachrüttelgetränk.

Etwas zerknirscht darüber, gehe ich zurück ins Bad um die scharfe Brühe im Mund loszuwerden. Durch den Spiegel entdecke ich hinter mir ein kleines Häufchen ordentlich zusammengelegter Kleidung liegen. Einen Moment lang muss ich die merkwürdigen Ereignisse zusammenreimen, bis ich auf einen Schlag hellwach bin und mich panisch umblicke. Vorsichtig ziehe ich den Duschvorhang zurück und mache eine schauderhafte Entdeckung, die mir den Atem stocken lässt.

Eine Flasche Duschgel, die geöffnet auf einem Rinnsal von Blut liegt, Hautfetzen und Haarbüschel getaucht in tiefem Rot, die den Abfluss der Dusche verstopfen. Dieser Anblick gibt dem Satz ‚im Badezimmer verschwinden’ eine ganz neue Bedeutung. Ata im Abflussrohr gab der schrecklichen Geschichte den Rest. Atá mein Liebster, vielleicht hätte ich gestern nicht so gründlich putzen sollen.

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Ein Kommentar

  1. Kurz zur Erklärung, da sich herausgestellt hat, dass meine Texte nicht immer von allen so verstanden werden, wie ich sie gemeint habe:

    ATA ist ein Reinigungsmittel mit dem Slogan „Ata putzt alles!“
    Atá ist lettisch für Tschüß

    Aus dem Text geht hervor, dass „ich“ am Tag zuvor die Dusche samt Abflussrohr mit Ata gereinigt habe. Und das ist der Grund dafür, dass der Liebste dann ganz plötzlich durch den Ausguss herab gezogen wird, weil ja alles so sauber und frei ist und so.

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