Inmitten der Proteste – ohne die leiseste Ahnung, worum es wirklich geht
Das schwarze Gewand vom Staub der Strasse beschmutzt, verrät meine ländliche Herkunft. Ich fühle mich deplatziert zwischen all den Bürgern der Stadt, die zu wissen scheinen, wofür, bzw. wogegen sie protestieren. Ich selbst wurde am Arm gepackt und in den Sog der Demonstration geworfen, der wie zufällig an den Feldern westlich von Kairo vorbeiströmte. Von den vertrauten Gesichtern meiner Angehörigen auch nach meinen panischen Rufen nun keine Spur mehr.
Im Fernsehen hatte ich die Anfänge der Proteste mitverfolgen können, kann mir aber nicht viel unter dem Begriff Demokratie vorstellen, der auf vielen der Schilder zu lesen ist. Ich kenne keine andere Regierungsform, als die unter Mubarak. Bisher war ich stets zufrieden mit dem was wir hatten und wurde auch dementsprechend genügsam und konservativ von meiner großen Familie erzogen, die generationsübergreifend gemeinsam in einem dieser nie fertig gebauten Häuser lebt, auf die man keine Steuern zahlen muss. Ich bin es noch gewohnt aufzustehen, wenn ich mit dem Familienoberhaupt, der Mutter spreche. In meinen Zukunftsvorstellungen, bin ich selbst Mutter von vier Kindern und glücklich verheiratet mit einem der Männer aus der Nachbarschaft, die mich zuletzt vor ungefähr sieben Jahren ohne Kopfbedeckung gesehen haben. Inzwischen bin ich im heiratsfähigen Alter und warte nur noch auf einen Anwärter, der meine Mutter um Erlaubnis fragt und ihr die Mitgift präsentiert.
Nun droht für mich dieser Traum, inmitten dieser Traube fremder Menschen zu zerplatzen. Orientierungslos lasse ich mich einfach weiter nach vorn schieben und lausche den Rufen und Gesprächen der Bürger. Sie wirken auf mich sehr fremd, obwohl wir im selben Land leben. Einige Meter vor mir sehe ich Männer vom Militär, die bisher kaum eine andere Aufgabe hatten, als die zahlreichen Tempel und den Nil zu bewachen. Gequälte Gesichter der Polizisten drohen uns mit Waffen und wirken dabei fast unbeholfen und mitleidig. Einer der Männer neben mir ruft ihnen zu, sie seien Feiglinge und sollen lieber auch für ihre eigene Freiheit kämpfen. Ich höre Frauen, die davon sprechen, auch berufliche Chancen bekommen zu wollen. Ein Schlag in die Magengrube lässt mich zu Boden fallen. Um mich herum sehe ich nur noch Füße und Beine bevor das Bild verschwimmt.
Dann spricht ein Mann in freundlicher Stimme zu mir. Er erklärt mir, dass ein schwacher Wind aus südwestlicher Richtung weht und es weitgehend trocken bleibt. Die teils stark bewölkte Nacht und die erhöhte Glättegefahr irritiert mich dann doch etwas und zwingt mich dazu, meine Augen zu öffnen. Der freundliche Mann im Anzug verabschiedet sich gerade. Noch etwas verdattert blicke ich auf die Uhr und stelle fest, dass es besser wäre, das nächtliche Quartier vom Sofa auf das Bett zu verlagern, da ich in wenigen Stunden schon wieder aufstehen muss, um zur Arbeit zu gehen.

„f-i-r-e in c-a-i-r-o“ The Cure, May 1978.
Wenn Gespinste keinen Widerhall finden. Wenn das Internet plötzlich sprachlos ist und alle die ich kenne, mit einem Mal, nur nutzlose Dummhörste sind. Wenn alles was wir je erreichen können nur ein „mag-ich“-Stern auf der Beliebigkeitsskala nach unten ist. Dann ist das Leben umsonst gelebt – und alle die ich kenne, mit einem Mal, nur noch die sein können, die ich mal kannte. Plötzlich liegt das zurück, was zurückgelegt gehört, weil es nicht mehr in der Welt, noch nicht einmal mehr in Kairo ist, obwohl es dieser Tage sehr leicht wäre ein Pharao zu sein. Danke Nyx, für Deinen Beitrag, damit bist Du mein Pharao -, obwohl es auf Ägypten und la Tunisie dieser Tage gar nicht ankommt. Ich hoffe Ihr habt trotz Eurer augenscheinlichen Verblödetheit Augen und Ohren offen für eventuelle Wichtigkeiten. Und damit meine ich weder den Glauben an mich, noch an Demokratie oder Internet. Ihr solltet Euch – verschissen nochmal – einmal im Leben bitte anstrengen und nachdenken. Durch den Nebel blicken und das Naheliegende tun. Gawddamnshite.
Jesus loves his people.
Where are they?
Who are they?