Schaufensterpuppen

Google Street View – schon wieder soll das Projekt gestoppt werden. Jeder hat mittlerweile schon mal auf Google Earth sein Haus von oben beguckt und jetzt soll das auch in 3D von vorne, hinten, oben, unten möglich sein. Dazu werden Fotos geschossen, die zu einer gigantischen Datenbank zusammengefasst werden sollen, die einem einen virtuellen Gang durch die Strassen erlauben. In diesem Zuge hat es schon jede Menge Protest gegeben, jetzt gibt es neue Bestrebungen, das Projekt in Deutschland zu stoppen .
Der Protest hängt sich immer am Datenschutz und an der zu schützenden Privatsphäre auf. Die persönlichen Daten wie Autonummern oder Schilder sollen auf den von Google verwendeten Bildern unkenntlich gemacht werden. Aber selbst dann gibt es – gerade in Deutschland – immer noch ein Grundrauschen an Widerstand. Warum?
Die Diskussion hat schnell einen Schuldigen ausgemacht: Das Bedürfnis, dass der Nachbar bloß nicht mitbekommt, was man tut. Deswegen werden in den Stunden, in denen man das Licht an hat, die Fenster verbarrikadiert – sonst könnte man von draussen ja mitbekommen, dass … Ja, was denn? Was ist denn eigentlich so schlimm, wenn andere Menschen mitbekommen, dass man … lebt. Ist es eigentlich schlimm, dass man auf Fotos etwas sehen kann, das man auch sehen kann, wenn man einfach vor meinem Haus steht?
Wir leben in einer Zeit, in der beispielsweise ein Pädophiler virtuell durch die Straßen gehen kann und sich dort eventuell irgendwo sein nächstes Opfer suchen kann. Vielleicht hat man Glück und bei dem “Schnappschuss” ist keins der Kinder zu sehen.
Für Alle, die “gar nix zu verbergen haben”: Böll, “Die verlorene Ehre der Katharina Blum”.

Ich denke, dass Privatsphäre ein kostbares Gut ist, das nicht genügend durch bestehende Gesetze geschützt wird. Ich möchte jedenfalls nicht gerne, dass kommerziell interessierte Firmen in einem quasi rechtsfreien Raum derart persönliche Informationen sammeln. Mein momentanes Aufkommen an Spam und Werbeanrufen reicht mir auch so. Dass es schon weltweit bekannt ist, das ich offentichtlich einen zu kleinen Pimmel habe und dringend kiloweise Viagra brauche, will ich doch gerne auf Mails verzichten, die mir schreiben, dass sie ja gesehen haben, dass meine gelben Vorhänge gar nicht zu dem pinken Tischtuch passen und mir zur Abhilfe eine neue Couch verkaufen wollen.
In welcher Gesellschaft leben wir, wenn sich das Individuum dafür rechtfertigen muss, wenn es nicht von anderen beobachtet werden will? Warum wird immer unterstellt, dass der, der nicht will, dass jeder in sein Privates Einblick erhält, immer etwas zu verstecken haben soll oder zu verheimlichen?
Pcs werden gerastert, Telefone abgehört. Genetische Proben werden massenweise genommen, z.B. wenn ein Verbrechen begangen wurde.Alles wird fotografiert und gefilmt, ohne dass ich gefragt werde. Meine Daten werden weltweit verkauft. Und was, wenn ich das alles nicht will?
Die Reaktionen auf diese Einstellung sind stets die gleichen: Hast wohl was zu verstecken? Wer heute nein sagt, so scheint es, macht sich verdächtig und wird entsprechend behandelt. Warum eigentlich? Die Privatsphäre galt einmal als Errungenschaft der Bürger in einer Demokratie, in welcher sie vor den neugierigen Blicken Anderer ausweichen konnten und sich selbst entfalten. Heute ist jeder stets öffentlich und wer nicht öffentlich sein will, ist ein spießiger Kautz und Spielverderber. Dabei ist doch das Private auch der Ort, an dem ich allein sein kann oder mich nur mit den Menschen umgebe, die ich gern um mich habe. Was soll hieran falsch sein?
Es geht nicht vorrangig darum, dass ich stets vom Staat oder irgendwelchen informationsüchtigen Großunternehmen drangsaliert werde, sondern auch darum, dass ich es selbst sein möchte, der über seine eigenen Anglegenheiten entscheiden darf – genau dies wird mir durch Schäuble, Google und Co. genommen.
Wenn der Nachbar mal etwas sieht, ist das eine Sache. Der vergisst das auch irgendwann wieder. Wenn das ganze aber weltweit unwiderruflich und auf immer und ewig zugänglich ist, tuen sich ggf. Abgründe auf, deren Tiefen nicht zu erahnen sind. Hier sollte man Vorsicht walten lassen und nicht alles toll finden, nur weil es modern und chic ist, im Web die Hosen runter zu lassen.
Es gibt ein Riesen-”Gemaule” wegen digitaler Ausweise, Patientenkarten, usw., also Überwachung durch den Staat und die Komplettüberwachung durch eine Firma soll toll, weil modern, sein?
Wieso lasse ich (im Umkehrschluß) andere nicht an meinem Leben teilnehmen, nur weil ich nicht möchte, daß mein Haus von allen Seiten fotografiert wird? Das Eine hat doch mit dem Anderen garnichts zu tun. Ich möchte immer noch selbst entscheiden, welche anderen an meinem Leben teilnehmen. Weiterhin hat doch die deutsche Geschichte geraden in den letzten 80 Jahren in Ost wie West gezeigt was herauskommt, wenn jeder bei jedem hineinschauen kann. Die Errungenschaft des Schutzes der Privatsphäre ist nicht hoch genug einzuschätzen!!!

Ich kann mich an die letzten Empörungen erinnern, als herauskam, daß Personaler großer Firmen, völlig ohne Unrechtsbewußtsein, das Netzt abfischen, um vermeintliche Verfehlungen potetieller Bewerber zu erkennen. Da auch dort die Adressen aller Mitarbeiter bekannt sind, kann man ja schnell mal schauen, in welchem Milieu der-/ diejenige wohnt. Dem Mißbrauch durch Mobbing, Verleumdung, Rufmord etc. ist dadurch Tür und Tor geöffnet.
Oder ich habe dann wöchentlich einen Scheinhandwerker vor der Tür, der mir, natürlich völlig uneigennützig, erlären will, daß mein Dach nicht auf dem neuesten Stand, das Haus neu verputzt, die Fenster sowieso zu alt sind etc….
Außerdem. warum müssen wir denn schon wieder so einer U.S. amerikanischen Kommerz- Mode folgen und diese noch wiederspruchslos als toll ansehen? Mir erschließt sich der Nutzen überhaupt nicht. Wer möchte denn mein Haus von vorn und allen anderen Seiten sehen? Schäuble, die Polizei, der Staatsschutz, die Werbung oder gar Einbrecher? Man braucht dann in Zukunft nur noch aufs Knöpfchen drücken, um zu sehen ob alles dunkel oder irgend jemand in Urlaub ist. Wer mich kennt, der darf natürlich auch das Haus sehen in dem ich wohne, wenn er zu Besuch kommt. Warum das aber unbedingt J. R. aus Neuseeland will, verstehe ich nicht.
Orwell’s 1984 wird schon lange übertroffen. In nicht allzulanger Zeit werden die Besitzer einer PayBack Karte beim Verlassen des Supermarkts daran erinnert, dass sie das eine oder andere vergessen haben. Als Lektüre hierzu: Jeffery Deaver “der Täuscher”

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