Die Nacht – und ihre bösen Gedanken

Die Nacht ist mir die liebste, ja die ehrlichste aller Zeiten. Sie ermöglicht das, was sich des Tages unserer Erfahrung entzieht, sie schärft die Sinne, die Emotionalität verleiht Spielraum für Gedanken die das Tagesbewusstsein auszublenden geneigt ist. Doch der wichtigste Aspekt dabei, ich kann über alles vollkommen ungestört nachdenken. Die sich Mitmenschen nennen, halten endlich ihre Klappe, da sie zu dieser Zeit ihren Selbstzufriedenheitsschlaf vollziehen, um sich zu stärken, für einen weiteren Tag heuchlerischen Einsatzes für eine Firma, der sie in zwiespältigem Haßliebe-Dienertum ihr Letztes bereit sind zu geben, da Existenz und fragwürdiger Wohlstand an diesem Seidenfaden hängen und die ersehnte Alternative sich auch durch stoisches dahinwarten auf bessere Zeiten, immer noch nicht eingestellt hat. So scharren sie nun in ihren Träumen mit Händen und Füßen und kompensieren ihre Fluchtmechanismen aus der zementierten Schuldenfalle, die ihnen Jahre zuvor ein parfümierter Anzugträger mit schwarzem Aktenköfferchen in amerikanischer Think-Positiv-Manier glückverheißend nahegebracht hat. Die Zeit in der diese ausschwärmten wie die Rabenvögel, um sich armseliger Bürger und deren Vermögen habhaft zu machen ist nun vorbei. Kein Blumentopf mehr ist zu gewinnen mit Versicherungsverträgen für die Eventualitäten des Lebens, wofür es de facto keine Sicherheiten gibt. Kein Kredit mehr vergeben, weil das Opferschwein der Begierde bereits ausgeblutet in den letzten Zuckungen am Bankenhaken hängt. Das Schiff Deutschland rutscht in den Hafen der Verderbnis wie eine zu früh vom Stapel gelaufene Karavelle und als hölzerne Gallionsfigur mit hängenden Mundwinkeln sticht das Konterfei einer Euro-Bankrotteurin in die tosende Gischt des von Lügengift verseuchten Politikhafens. Gedankenbilder der Nacht haben Macht. Sie sind plastisch, allegorisch und greifbar nahe. Ich will sie nicht missen. Nur in der Nacht schaffe ich den Kontakt zu mir selbst. Mir graut der Morgen in des Wortes tiefster Bedeutung, wenn er wieder kommt, dieser Schleier der Vernunft, der sich wie ein Leichentuch über meine geistige Frische legt und vorbereitet für einen weiteren verlorenen Tag, mich reduziert auf den Akt animalischer Futttersuche.

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