Die Nacht – und ihre bösen Gedanken

Die Nacht ist mir die liebste, ja die ehrwürdigste aller Zeiten. Sie ermöglicht, was des Tages sich der Erfahrung entzieht. Sie schärft mir die Sinne, das Gehör, die Emotionalität und gibt Spielraum für Gedanken die das Tagesbewusstsein auszublenden geneigt ist. Doch der wichtigste Aspekt dabei: Man kann über alles nachdenken, ohne auch nur ansatzweise gestört zu werden. Die sich Mitmenschen nennen, halten endlich ihre Klappe, weil sie zu dieser Zeit entweder ihren Selbstzufriedenheitsschlaf vollziehen, oder sich möglicherweise auch stärken wollen für einen neuen Tag weiteren heuchlerischen Einsatzes für eine Firma, der sie in zwiespältigem Haßliebe-Dienertum ihr Letztes bereit sind zu geben, weil ja Existenz und fragwürdiger Wohlstand an diesem Seidenfaden hängen und die Alternative dazu sich auch durch jahrzehntelanges dahin warten auf bessere Zeiten, Gott weiß warum, sich immer noch nicht von selbst eingestellt hat. So scharren sie nun in ihren Träumen mit Händen und Füßen und kompensieren somit ihre Fluchtmechanismen aus der zementierten Schuldenfalle, die ihnen Jahre zuvor ein parfümierter, lackschühiger Anzugträger mit schwarzem Aktenköfferchen in Kaffeelaune an einem sonnigen Nachmittag glückverheissend in amerikanischer Think-Positiv-Manier nahegebracht hat. Die Zeit in der diese ausschwärmten wie die Rabenvögel um sich armseeliger Bürger und deren Vermögen und obendrein ihrer Seelen habhaft zu machen ist nun vorbei. Kein Blumentopf ist mehr zu gewinnen mit Versicherungsverträgen für die Eventualitäten des Lebens, wofür es sowieso keine Sicherheiten gibt. Kein Kredit mehr vergeben, da das Opferschwein der Begierde  bereits ausgeblutet ist und in den letzten Zuckungen am Bankerhaken hängt. Das Schiff Deutschland rutscht in den Hafen der Verderbnis wie eine zu früh vom Stapel gelaufene Karavelle und als hölzerne Gallionsfigur mit hängenden Mundwinkeln sticht das Konterfei einer Krankela Ferkel im Miss-Piggi-Style in die tosende Gischt eines von Lügengift verseuchten Politikhafens. Gedankenbilder der Nacht haben Macht. Sie sind plastisch, allegorisch und greifbar nahe. Ich will sie nicht missen. Nur in der Nacht schaffst du den Kontakt zu dir selbst. Mir graut der Morgen in des Wortes tiefster Bedeutung. Wenn er wieder kommt, dieser Schleier der Vernunft, der sich wie ein Leichentuch über meine geistige Frische legt, mich wach machen soll für den organisierten Alltag und mir doch die  Sinne vernebelt, mich in primitiver Banalität reduziert auf den Akt animalischer Futtersuche.

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