Wohnhölle Deutschland

Deutschland präsentiert sich für den Fremdling allenthalben als aufgeräumtes, wohl geordnet strukturiertes Musterland, das auch was zumindest die Sauberkeit angeht auch einer härteren Nagelprobe standhält. Stellt man jedoch den direkten Vergleich zu den Nachbarländern, so schlägt ein Argument schmerzhaft ins Gesicht: Platzmangel in sämtlichen Destinationen. Deutsches Städtedesaster definiert sich in erster Linie als monoton konstruiert, anstelle von menschengerecht komponiert. Dem Autogott, immer noch stellvertretend  als Goldenes Kalb des 21. Jahrhunderts wird weiterhin gefrönt, und jedes nur erdenkliche Opfer dargebracht. Seine Leibspeise: Quadratmeter! Davon kann es nicht genug bekommen. Unaufhaltsam frisst sich die fauchende Blechmasse ins Herz der mancherorts sensibel und mit viel Feingefühl gewachsenen Innenstädte, die längst schon zu asphaltierten Zeugnissen einer  Maßlos-Gesellschaft mit speziellen, selten benutzten Behinderten- und Glucken-Parkplätzen (oh Verzeihung: Mutter-Kind-Parkplätzen) verkommen sind. Wo noch ein ,,ungenutzter“ Quadratdezimeter aufzustöbern ist, stehen Gabionen!
gabioneDiese Relikte, konstruiert von einer findigen Designergilde, mit dem Anspruch selbst aus Fluß-Schwemmgut noch Geld zu generieren (Neudeutsch). Mit Kieselsteinen gefüllte, nein auch mit Altglasscherben gefüllte verzinkte Baustahl-Korbelemente, welche sich analog zu deutschem Rasterdenken in Elementsystemen aneinander reihen, dabei bedrohlich in der Sonne glänzen, gleichzeitig auch die Fantasielosigkeit der Städteplaner an den Pranger stellen. Auf großen Plätzen stehen schweineteure Designerbänke wie stumme Zeugen einer nicht stattfindenden Kommunikation, weil sich niemand gerne, wie Freiwild zum Abschuss, auf einen großen kahlen asphaltierten Platz setzt. Dagegen stünde der kleine Boulevard, von Bäumen gesäumt und mit Bänken bestückt die zum Verweilen im faszinierenden Kaleidoskop einer behutsam auf menschliche Bedürfnisse ausgerichteten Stadt. Möglicherweise zu altmodisch für Futuristen. Doch an der Peripherie protzen die Komfortgreuel der Wohnhöllen. Pyramidal erstellte Hochhäuser, heiligstes Ziel der Planer, mehr Licht in den Wohn-Container zu locken, der mit seinen Balkon-Koniferenkrüppelbepflanzungen zuweilen daherkommt wie eine gigantische Herrenkommode mit aufgerissenen Schubladen nach einem Raubüberfall. Ich denke, jedermann/frau ist dazu angehalten ernsthaft darüber nachzudenken, ob er/sie so leben möchte. Vielleicht ist der eine oder andere Leser schon mal in Aix-en-Provence den Cours Mirabeau unter dem kühlenden Blätterdach unzähliger Platanen hinunter flaniert, hat den Duft der Akazie geschnüffelt und sich vom Zauber plätschernder, Algen umsäumter (in Deutschland würde das ,,verunreinigt“ heißen) Etagenbrunnen bezaubern lassen. Hier und da eine Galerie. Dort ein Straßencafe. Da eine junge Französin mit Aufstehfrisur im leichten, im Sommerwind flatternden Taftkleid. Es ist alles so friedlich und von entspannter Betriebsamkeit. – So würde ich leben wollen – Gäbe es denn bei uns so etwas ähnliches!


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