Fröhliche Weihnachten

Mit strahlenden Augen stehe ich schon im Oktober vor den Regalen des Supermarktes und beäuge das große Angebot an Lebkuchen, Spekulatius, Baumkuchen, Dominosteinen und Schokonikoläusen. Meine Oma nimmt mich an der Hand und erzählt mir lächelnd, dass es bald wieder so weit sei und Weihnachten dann wieder vor der Tür stehen wird. Obwohl es sich draußen noch gar nicht danach anfühlt, bilde ich mir voller Vorfreude ein, den Schnee schon fast riechen zu können.

Im November stehe ich dann mit Mama und Oma in der Küche, Papa und Opa sind im Garten und hacken Holz. Wir Frauen haben Größeres vor! Die ersten Plätzchen werden gebacken. Aus der großen Sammlung Omas Plätzchenrezepten, darf ich mir zehn Sorten aussuchen, die wir die nächsten Tage backen wollen. Es duftet überall schon toll nach Weihnachten und durch das Fenster sehe ich die ersten Schneeflocken fallen. Nur noch wenige Tage und wir können wieder Schlittenfahren gehen. Ich darf den Rest des Teiges vom Löffel lecken bis mir schlecht wird und drücke euphorisch auf dem Teig herum, den ich gleich in die Form von Sternen, Herzchen, Bäumen, Blumen und Engel bringen darf.

Die fertigen Plätzchen sind in vielen bunten Blechdosen verstaut, an die ich nur mit Hilfe eines Stuhles rankomme. Wenn ich mir täglich nur zwei Plätzchen nehme, fällt es Mama hoffentlich nicht auf, denn eigentlich hat sie es verboten, davon zu naschen. Die Katze spielt mit der Weihnachtsdekoration, die Mama liebevoll mit mir im ganzen Haus verteilt. Der Christbaum wird aber erst am Vierundzwanzigsten morgens geschmückt. Bis dahin sind nur noch fünf Türchen am Adventskalender zu öffnen.

Im Kleiderschrank von Mama und Papa hab ich das Versteck meiner Weihnachtsgeschenke entdeckt. Sie sind groß und schwer, aber ich habe nicht herausgefunden, was es sein könnte, da sie schon verpackt sind. Ich wäre vor Schreck beinahe vom Stuhl gefallen, als Mama mich zum Essen gerufen hat. Ich hab auch schon fast alle Geschenke fertig, das Bild für Opa muss nur noch ein bisschen bunter werden. Nach dem Mittagessen darf ich noch mit zwei Freunden raus in den Schnee bis es dunkel wird.

Morgen ist Heiligabend, was für mich heißt, dass Mama den ganzen Abend in der Küche steht und Papa mir Märchen vorliest, bis ich einschlafe. Als ich Papa frage, warum Opa nicht zugibt, dass er der Nikolaus war, lächelt er nur und gibt mir einen Gutenachtkuss.
Ich wache schon früh auf und freue mich, dass heute Abend endlich das Christkind kommt. Ich überprüfe noch einmal die Geschenke für meine Eltern und Großeltern und bemerke, dass ich noch gar nichts für die Katze habe. Ich beschließe, dass sie sich bestimmt über eine warme Wollmütze freuen wird und schneide eine Wollsocke von mir so zurecht, dass ich denke, dass sie auf einen Katzenkopf passen wird. Da es mir nicht ganz so gut gelingt, versuche ich dies an sieben Socken, bis ich ein Exemplar als gelungen erachte.

Mama hat wohl schon gehört, dass ich wach bin, denn nun ruft sie mich zu sich, um mit ihr den Christbaum zu schmücken. Wir haben schon lange zuvor kleine Sterne aus Stroh gebastelt, die wir nun an die pieksenden Äste hängen wollen. Nachdem wir kleine Figuren, Sterne und die vielen Kugeln in zwei Farben gleichmäßig am Baum verteilt haben, muss Papa die Spitze draufsetzen, bevor wir die vielen kleinen Lichter mit einem Stecker anknipsen.
Nun wird noch die kleine Holzkrippe unter den Baum gestellt, worüber sich auch die Katze freut.

Kurz darauf kommen Oma und Opa zu uns und Oma übt erneut das Gedicht mit mir, welches ich auswendig lernen sollte. Auch die vielen Weihnachtslieder kann ich schon ganz ohne durcheinander zu kommen. Dann verschwindet Oma mit Mama für lange Zeit in der Küche und Opa spielt mit mir Spiele, bis ich keine Lust mehr habe. Daraufhin werde ich geschickt, um mein Kinderzimmer aufzuräumen, da das Christkind nur zu ordentlichen Kindern kommt. Es klingelt einige Male an der Türe und meine Tanten und Onkel mit Cousins und Cousinen bringen meine Ordnung wieder durcheinander. Ich darf noch mit ihnen spielen, bis endlich das Christkind mit seinem Glöckchen läutet.

Schnell stürmen wir Kinder nach unten und suchen nach dem Mädchen mit dem lockigen, goldenen Engelshaar. Aber wie jedes Jahr waren wir wieder zu langsam und es ist uns erneut entwischt. Da wir jedoch brav waren, hat es uns Geschenke unterm Christbaum hinterlassen. Die von Mama und Papa aus dem Kleiderschrank sind auch dabei.
Erst nachdem alle zusammen Lieder gesungen haben und jedes Kind sein Gedicht aufgesagt hat, dürfen die Geschenke ausgepackt werden. Über meine Geschenke haben sich auch alle gefreut, außer der Katze, die es wohl nicht so toll fand und beleidigt nach oben gerannt ist.
Es liegen sehr viele Geschenke auf dem Boden und acht Stück davon sind für mich. Während wir Kinder unsere Geschenke bestaunen und ausprobieren, machen sich die Erwachsenen über das Essen her, für das Mama und Oma so lange in der Küche standen. Wir Kinder dürfen heute wieder besonders lange auf bleiben und zu viert im Schlafzimmer von Mama und Papa auf dem großen Bett schlafen. Das wird lustig.
Ich finde, es sollte immer Weihnachten sein!

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9 Kommentare

  1. Genau so wie beschrieben, habe ich als Kind Weihnachten lieben gelernt. Enttäuschend jedoch erkennen zu müssen, dass das damit einhergehende Hochgefühl allzu sehr im Umstand der Infantilität begründet lag
    und nur bruchstückhaft ins Erwachsenenalter hinübergerettet werden konnte. Liegt wohl daran, dass Kinder noch nicht an die Verlogenheit der Erwachsenenwelt akklimatisiert sind und somit auch ans Christkind oder den Weihnachtsmann bereit sind zu glauben, bzw. von ihnen die damit verbundene Metapher noch nicht hinterfragt wird. Zugegebenermaßen blitzen auch bei mir zu den Weihnachtsvorbereitungen, oder beim Klang traditioneller Weihnachtslieder, immer wieder Fragmente verschütteter Emotionen auf. Der Ratio beginnt sofort zu sortieren und schiebt sie in die Sentimentalitätsecke. Ich vermute, nur wer Familie und Kinder hat, wird auch jetzt noch ganz nah am Ideal sein, da sich der/die inzwischen zur Elternschaft gehörige, sich in einer Art Spiegelfunktion zu seinen Kindern erlebt.

  2. Da stimme ich dir absolut zu. Ein paar Jahre später konnte ich Weihnachten nicht mehr leiden, weil ich von den Großeltern zu Weihnachten immer mehr Geschenke bekommen hab, als zu meinem eigenen Geburtstag. Im Nachhinein betrachtet ist diese Denkweise irgendwie seltsam und für ein Kind absolut untypisch.

  3. Weihnachten ist beschissen! Warum? Weil ich zuschauen darf, wie jemand anderes mit meinen Kindern heile Welt spielt und dieses Mal sogar vergessen wurde mich einzuladen. Weil ich Postkarten bekomme, die so nichtssagend sind, dass sie nicht mal den Mülleimer wert sind. Weil mich niemand anruft. Weil meine Eltern sich garantiert wieder zoffen. Weil ich Geschenke kaufen soll, die ich nicht schenken möchte, mit einem Geld, das ich nicht habe. Weil mich die geheuchelten Sprüche der Verwandtschaft ankotzen. Weil ich nicht allein sein will. Weil mich keiner festhält. Weihnachten ist nur für die gut, die das Scheissklischee durchziehen können und daran glauben. Wäre ich Borderliner würde ich mich jetzt schneiden. Wäre ich im Schützenverein würde ich jetzt mein Gewehr polieren. Wäre ich gut drauf, wär´s jetzt vorbei. Und da das alles nicht ist, bleibt mir nichts anderes übrig als zu hoffen, dass dieser Scheisstag schnell an mir vorüberzieht. Allen anderen wünschen ich ein gesegnetes Weihnachtsfest. Erstickt an eurer Gans, an euren Weihnachtsgeschenken und eurer himmelschreienden Verlogenheit!

  4. Weit davon entfernt zu erwarten, dass du mich jetzt ernst nimmst, ist es mir die letzten Jahre genauso ergangen. Das Gefühl zu haben, in einer Gesellschaft zu leben die das Jahr über einen Teufel tut, die sozialen Bande aufrechtzuerhalten und in der du permanent Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit und Authenzität vermisst, spielt jetzt plötzlich Weihnachten mit all den damit verbundenen Klischees. Wer nicht mitspielt, ist dazu verdammt, das ,,Fest“ alleine zu verbringen. Ein Trottel, wer sich da nicht verschaukelt vorkommt. Ein Wahrheitsfreak wie du hat verständlicherweise seine Probleme mit Heuchelei, wobei ich nicht pauschalieren möchte, dass alle Feiernden Heuchler seien. Auch mir ergeht es die Tage ähnlich wie dir und ich habe kein Problem mehr damit. Ganz im Gegenteil – ich genieße es buchstäblich, endlich keine Hektik mehr um mich herum zu spüren und gehe darin auf. Seit ich mich von Weihnachten (als Ritual!) verabschiedete, Weihnachtsmärkte sowie Weihnachtsfeiern gemieden, Wunschfloskeln nur als Erwiderung auf eine solche ausspreche, ist die Weihnacht für mich eine erstrebenswerte Zeit, die mir Ruhe und Besinnung bringt. Besinnung insofern, dass der Kanal endlich wieder frei werde für verdrängte Gedanken, verschüttete Pläne, auch mir vergessene Menschen wieder einfallen. Was die Weihnachtszeit bei vielen Leuten immer wieder zu einem Reizthema macht ist die stete damit verbundene Erwartungshaltung, dass jetzt etwas passieren soll und die Familie in ihrer Zerrüttetheit endlich Klärung erfährt. Oftmals geschieht dann genau das Gegenteil. Ähnlich wie bei Paaren, die sich die gemeinsame Urlaubszeit an südlichen Gestaden unbewusst als Schauplatz für einen Rosenkrieg ausgewählt haben, geschieht dasselbe hunderttausendmal im Lichterglanz des penibel gestylten Weihnachtsbaums. Wenn du nicht darin aufgehen kannst, so sei einfach nur der stille Beobachter und dir werden Sichtweisen offenbar, die du nie erwartet hättest. Deine Offenheit ist großartig und die Beweggründe, all das nicht toll zu finden liegen auf dem Tisch. Fahr dich runter, kläre, kläre, kläre, schließ ab, orientiere dich neu, denn die Suppe von gestern schmeckt nicht mehr.

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