Community Beauty-Online

Internetbekanntschaften, wie nett…
Ihre Zahnlücke war nicht das Problem, eher ihr Doppelkinn, das machte auch irgendwie Sinn, bei dem dicken Hals, den sie schob, als er entdeckte, dass seine Internetliebe nicht unbedingt seine Traumfrau war. Sie wartete mit ihrer prallen Schönheit eine Stunde lang im Café Skurril auf ihren Adonis aus der Community Beauty-Online.
Wie stellte man sich einen schönen Menschen vor? Da gingen wohl die Meinungen völlig auseinander, wie auch Mollys Knie, da ihre voluminösen Oberschenkel unter dem kleinen Tisch Bewegungsfreiheit suchten.
Hätte sie gewusst, dass ihr Traummann mit dem entzückenden Username Zuckerschnecke sie so lange warten ließ, hätte sie sich einen anderen Platz ausgesucht.
Ihr Rücken schmerzte bereits nach 10 Minuten, da ihre Sitzposition sich total ungünstig auswirkte. Ihr Hintern suchte eine stabile Position, die durch den Bistrostuhl nicht unbedingt gewährleistet wurde. Wer denkt beim Erwerb eines Cafés schon an bequeme Stühle für Frauen, wie mich, schoss es Molly durch ihren Kopf.
Es war jedes Mal aufs Neue ein interessantes Thema in ihrer Selbstfindungsgruppe Korpulent, wenn man über diverse Einrichtungsgegenstände debattierte.
Molly nannte sich in der Community Rumkugel und hatte nun inzwischen einen Cappuccino, einen Latte Macchiato und zwei Gläser Mineralwasser getrunken, bevor sie sich einen Eiskaffee bestellte. Unterzuckerung drohte inzwischen. Die süße Rumkugel musste mal für kleine Frauen, hatte aber panische Angst zur Toilette zu gehen. Sie war es gewohnt, dass sich Menschen nach ihr umdrehten. Ein hübsches Gesicht zierte ihren viel zu großen Körper, den sie selbst als gewaltig bezeichnete. Ihr Busen wog 8 Kilo und ihre BHs kosteten ein kleines Vermögen. Die Zuckerschnecke ließ auf sich warten, aber nicht ihre Blase, die sich meldete. Sie konnte ja nicht ahnen, dass er sie schon die ganze Zeit heimlich beobachtete. Es hatte keinen Zweck mehr, länger zu warten. Als Molly den Eiskaffee ausgelöffelt hatte, musste sie dringend zu den sanitären Einrichtungen. Der Weg bis zum Ende des Cafés wirkte wie ein kleiner Hindernisparkur. Entweder war ein Kinderwagen, ein besetzter Stuhl oder die schlichtweg die Bedienung im Weg.
Molly hatte bereits nach drei Minuten Schweißperlen auf der Stirn. Ihre Haut glänzte wie frisch hergestellter Butterkaramell, bevor er abgekühlt wird. Die Rumkugel erwartete das große Grauen, denn der Schweiß lief in Strömen. Hinter der Tür erwartete sie zunächst ein kleiner Flur und sie entdeckte sofort die Damentoilette. Blöd war nur die Tatsache, dass sie binnen weniger Minuten in der Toilettentür klemmte. Nun zeichneten sich unter ihrer Bluse große Schweißringe ab. Ruhe bewahren, tief durchschnaufen – so lautete nun die Devise, um sich letztendlich erleichtern zu können. Sie zerrte, rüttelte und schüttelte sich und mit einem festen Ruck befreite sie sich aus der unglücklichen Position, dies wirkte sich allerdings ungünstig auf das Interieur der sanitären Anlagen aus. Denn bei dem Befreiungsversuch stürzte Molly mit voller Wucht auf die Toilettenschüssel, die mit geöffneter Toilettenbrille aufwartete. „Schweiße!“, schrie sie entsetzt auf, denn während dieser massiven Aussage steckte sie bereits mit der Hälfte ihres Gesäßes fest.
Unschöne Blessuren hatte sie davon getragen. Sie betätigte beim Sturz den Abdrückknopf der Toilettenspülung, so dass sie kostenlos eine kleine Erfrischung erlebte. Die Halterung für das Toilettenpapier streifte ihren Oberarm, der nun eine tiefe Schramme aufwies. Der Hygienebehälter mit den Papiertütchen hatte sie auch aus der Verankerung gelöst, so dass die Tüten wild zerstreut zu Boden segelten, als hätten sie ihre ersten Flugversuche hinter sich. Der viel zu enge Rock zerriss bei dieser Aktion ebenso, wie ein Träger des BHs.
Mollys bildhübsches Gesicht lag auf dem Doppelkinn, als würde es nie wieder lächeln wollen. Und zu allem Elend klingelte ihr Handy. Es war die Zuckerschnecke, die nun das Date absagen wollte, weil ihr Adonis über Funk angepiepst wurde. Molly konnte ihm erst antworten, als sie nach einer Stunde von der Feuerwehr befreit wurde. Nur gut, dass er als Fahrer im Einsatzwagen saß…
© Corina Wagner, Juli 2011

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2 Kommentare

  1. Mein Lieblingssatz: Ihre Haut glänzte wie frisch hergestellter Butterkaramell, bevor er abgekühlt wird.

    Mmmmmhhhh!

  2. ;-)

    Frühlingsluft weht sanft, wie ein Hauch Puderzucker, der den frisch gebackenen Apfelstrudel leicht berrührt,
    bevor er zu Tisch kommt.

    Schönes Wochenende

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