Angstschweiß

Echte Empathie

Angstschweiß perlt über meine gerötete Haut.

Manchmal werde ich mitten in der Nacht wach,

dann denke ich an Dich mit halbgeschlossenen Augen

und suche mitunter ganz aufgeregt nach kleinen Blutsaugern.

Ich bleibe still und schreie meistens nicht laut.

Ein schnelles Surren übertönt mein Meckern und Murren.

Wenn ich wie wild um mich schlage, stelle ich nie die Frage,

ob Du im Regelfall neben mir liegst und von Moskitos träumst.

Du magst jedenfalls eher die Milben, diese Dermatophagoides

oder wie die Viecher heißen, die sich bei Dir einfach wohlfühlen.

Auch Bettwanzen sind Dir nicht fremd, wenn man Dich näher kennt.

Deine Geliebte hat auf dem Anrufbeantworter harsche Worte hinterlassen.

Sie wolle Dich nie wieder anfassen. Warum auch immer?

Den Rest kannst Du Dir denken und Deinem schlechten Gedächtnis schenken.

Mir ist das völlig egal, bin tolerant. Es war nicht das erste Mal.

Angstschweiß perlt noch immer über meine gerötete Haut.

Irgendwer hat mein Insektenspray in Deinem Bad geklaut.

Wahrscheinlich dieser Typ mit der Plastiktüte überm Kopf,

der seit Stunden Deine Küche blockiert und meint er wäre Joki.

Dieses schnelle Surren nervt. Es wimmelt von den kleinen Biestern.

Ein sanftes Lüftchen weht durch die geöffnete Balkontür. Wie früher…

Draußen wird noch immer gescherzt und gelacht.

Nur der Straßenlärm ist laut und doch so vertraut. Es ist wie damals.

Du schläfst, liegst da, als kämest Du von einem anderen Planeten.

Deine Haare sind völlig zerzaust und Deine Filzläuse mögen Dich.

Echte Empathie nennt man so etwas. Und Du? Wie immer…

Mein Blick richtet sich für einen Moment zu einem Glas mit geronnener Milch.

Dann zu dem riesengroßen geöffneten Terrarium und dies ist schlicht dumm.

Nebenan hört man die Klospülung und draußen einen tierischen Lachanfall.

In der Ecke liegen vergilbte Schienbeinschoner und Dein alter Lederball.

Eine Vogelspinne läuft über Deinen nackten Oberkörper und ich schreie für Dich.

Echte Empathie nennt man so etwas. Und Du? Wie immer…

Du schläfst immer noch, liegst da, als wärst Du mit dem Raumschiff abgestürzt.

Nach den vielen Bierflaschen zu urteilen, war der Absturz vorprogrammiert.

Ich hätte es mir denken können, dass Du das Beste der Nacht verpasst.

An Deinem Schlafzimmerfenster ist immer noch kein Fliegenschutz.

Dafür hängt die Deutschlandfahne im Türrahmen, sie ist total verschlissen.

Stört aber irgendwie nicht – ich seh‘ sowieso nur Dich und mich,

selbstgebackene Hanfkekse, Deine Königskobra und meinen Angstschweiß.

Er perlt noch immer, wie der Schaumwein für 99 Cent aus dem Tetrapack. Fuck!

.

©Corina Wagner, Juni 2012

Verbreiten, teilen, infizieren!

4 Kommentare

  1. Eins kapier ich nicht: Wie kann der tierische Lachanfall von draußen kommen, wenn du dich drinnen befindest?

    ;-)

  2. Meinst Du realistisch betrachtet, dass ich so unvorsichtig wäre und nun schon einen Teil meiner Autobiografie veröffentlichen würde? Für einen Lachanfall bin ich ja stets zu haben…
    ;-)

  3. Ganz im Vertrauen: Das Schreiben bietet viel Platz für eine blühende Fantasie und deshalb sehe ich gerade vor meinem geistigen Auge ein Gewächshaus mit vielen gezüchteten bildhübschen Blumen.
    ;-)

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert